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F I 4/20b "14"

Transcription

Während die einen Urteile empirische, naturwissenschaftliche sind, sind die anderen eben Wesensurteile, apriorische Urteile. Sie gehören in eine apriorische Ontologie der Natur. Auch hier operieren wir mit unbestimmt allgemeinen Körpervorstellungen, und auch diese können nicht anders denn in Raum und Zeit gedacht werden. Die Beziehung auf ein Orientierungsschema ist auch zu ihnen wesentlich gehörig, wie das eben die Wesensanalyse herausstellt.

Aber darin liegt der gewaltige Unterschied, dass beim empirischen Urteil das aktuell erfahrene Hier und Jetzt und der aktuelle Erfahrungsraum und die Erfahrungszeit mit einem unmittelbaren Erfahrungsinhalt zur Mitsetzung kommt und als begrifflich ungefasstes Wirklichkeitsniveau fungiert, während im anderen Fall dafür der bloße Gedanke, die bloße Vorstellung eines Hier und Jetzt, die bloße Vorstellung eines Raumes und einer Zeit den Untergrund bildet, obschon wieder ohne begriffliche Fassung. Stelle ich mir, um Einsicht zu gewinnen, in Klarheit einen Körper vor, so ist er Körper in einem Raum und notwendig erscheint er in gewisser Orientierung, die zurückweist auf den Orientierungsnullpunkt. Aber der Körper ist nicht als Individuelles gesetzt. Und es ist auch das Raumschema nicht gesetzt. Um so gesetzt zu werden, müsste es notwendig in Verbindung treten mit meinem aktuellen Hier und Jetzt, das ich erfahre.

Das wird evident, wenn Sie an eine Erinnerung denken und das Erinnerungsgegebene. Es schwebt phantasiemäßig vor, und doch ist es nicht bloß Phantasie. Das Vorschwebende ist gesetzt, und sofort hat es Beziehung zur lebendigen Erfahrung, dem lebendigen Jetzt, in dem ich stehe, und dem lebendigen Hier. Das Erinnerte ist „vergangenen“, d.i., es ist ein vor meinem erfahrenen Jetzt zeitlich Gewesenes. Sowie wir diese Beziehung durchschneiden, haben wir eine bloße Phantasie, und das bloß Phantasierte (in sich und getrennt von aller empirischen Setzung) hat keine Zeitbeziehung wie keine Raumbeziehung zur Aktualität. Sein Raum ist fingierter Raum, seine Zeit fingierte Zeit. Im Übergang zur rein idealen Einstellung habe ich also Idee Raum, Idee Zeit, Idee von Körper in Raum und Zeit.

Transcriber

Thomas Vongehr