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F I 16/41b "21"

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sondern sie sind für ihn, was sie für ihn bedeuten, in Freude und Leid, in Hoffnung und Furcht, wie er sich zu ihnen zu stellen hat, wie er ihnen widerstehen, sie für sich gewinnen, sie regieren kann, wie er sie seinen religiösen, ästhetischen, Nützlichkeitsinteressen gemäß umgestalten, aus ihnen Zweckgebilde erzeugen kann – das sind in seiner naiven Einstellung die beständigen Fragen, die er an die Dinge richtet, und der Sinn dieser Fragen bestimmt, was die erfahrenen Dinge für ihn sind. Also der Mensch erfährt zwar immerfort, aber dieses naive Erfahren ist nicht der „theoretische“ auf Feststellung wahrhaften Seins und Soseins gerichtete Akt, dessen es für die Begründung der Wissenschaft bedarf. [1] Schon das Altertum ist sich dieses wesentlichen Unterschiedes bewusst geworden und hat nicht nur vorübergehend und vereinzelt, sondern den systematischen Zusammenhängen des erfahrbaren Seins nachgehend umfassende und theoretisch wertvolle Erfahrungserkenntnis vollzogen. Aber exakte nomologische Wissenschaft hatte es nicht, oder vielmehr nur in kleinen, erst in der Zeit der Renaissance zu vollbewusster Entwicklung kommenden Ansätzen. Und in der Tat, einer gewissen vollbewussten Entwicklung bedurfte es, um eine „exakte“ nomologische Naturlehre, eine mathematische Naturwissenschaft („theoretische Physik“) zu begründen und mittels ihrer die Gegebenheiten der auf bloß theoretischer Erfahrung beruhenden „deskriptiven“ Disziplinen nomologisch zu „erklären“.


[1] Randbemerkung: Theoretisches Erfahren.

Transcriber

Thomas Vongehr