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F I 16/42a "22-24"
Transcription
Fragen wir, was über Erfahrung und Induktion hinaus dazutreten musste, so werden wir auf die Heranziehung und die großartige Ausgestaltung der reinen Mathematik aufmerksam; einerseits der Geometrie, Phoronomie und reinen Mechanik und andererseits, mit all diesen Disziplinen sich verflechtend und sie alle methodisch durchdringend, die Algebra, die Infinitesimalrechnung, kurz die formale Mathesis mit ihren immer neuen Disziplinen. Die beherrschende Rolle, welche die reine Mathematik in der Physik der Neuzeit oder, wie wir philosophisch zutreffender sagen, in der abstrakt-nomologischen Naturwissenschaft der Neuzeit spielt, liegt zutage. Dass diese sämtlichen rein mathematischen Disziplinen rein rational sind, dass sie nicht auf Erfahrung beruhen, sondern a priori ihre Einsichten gewinnen, darüber war man sich zu Beginn der Neuzeit übrigens klar, wie wenig man auch den Sinn der Aprior[ität] erkenntnistheoretisch zu verstehen und die Grenzen der Rationalität abzustecken vermochte. In dieser letzteren Hinsicht bestehen übrigens auch heutzutage noch ungelöste Schwierigkeiten genug, und zwar betreffen sie die Mechanik, die nie als völlig reine Mechanik und getrennt von der empirischen behandelt worden ist. Es ist daher nicht klar, wie weit in der Mechanik das Apriori reicht, wo in ihr die Grenzen zwischen reiner Eidet[ik] materieller Körperlichkeit und empirisch bestimmter Lehre von Massen und bewegenden Kräften liegen, m.a.W. die Grenzen zwischen reiner Mathematik der materiellen Körperlichkeit und eigentlicher Physik, Erfahrungswissenschaft von derselben. Aber sicher ist, dass ein wesentlicher Teil der mechanischen Grundeinsichten wirklich a priori ist. Also jedenfalls dürfen wir sagen, dass der Hinweis auf die Entwicklung der neueren Naturwissenschaft unsere allgemeine Ausführung bestätigt.
Transcriber
Thomas Vongehr