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F I 16/47a "29"

Transcription

Es ist ja auch Folgendes zu beachten: Einzelne ideale Erkenntnis haben (sei es mit oder ohne klarem Bewusstsein ihrer Eigentümlichkeit als reiner Erkenntnis) und sie im Zusammenhang empirischer Betrachtungen anwenden, das kann den Bedürfnissen vollkommener, d.i. exakter und nomologischer Erfahrungswissenschaft nicht genug tun. Der Rückgang in eine ideale Einstellung aus der empirischen ist, sagten wir ja früher, gar nichts Außerordentliches, sondern schon im gemeinen Leben Wohlvertrautes. Um die Stufe des reinen Zählens und des reinen Einmaleins zu erklimmen, braucht die Entwicklung der Menschheit zwar ein gewaltiges Stück, aber eine besondere hohe Kulturstufe ist damit nicht bezeichnet. Jedermann, der den klaren Sinn einfacher Zahlformeln versteht und sie aus gegebenen Anlässen der Erfahrung sinngemäß anwendet, hat ideale Erkenntnis und in strenger Erkenntnisfunktion. Aber das [ver]hilft noch zu keiner exakten nomologischen Wirklichkeitserkenntnis. Erst der Platonismus, meine ich, der in philosophischer Reflexion die Bedeutung der reinen Erkenntnis erfasste und die prinzipielle Forderung eines systematischen, in Konsequenz reiner Einstellung vollzogenen eidetischen Denkens aufstellt, beschenkte uns mit eidetischen Wissenschaften. Erst die systematische Durchforschung des im reinen Wesen von Zahl, Ordnung, Mannigfaltigkeit (im Wesen von der Apophansis, des logischen Urteils, im Wesen der Wahrscheinlichkeit, Möglichkeit, Notwendigkeit) Gelegenen, ebenso dessen, was die Idee des körperlich-materiellen Seins als räumlich-zeitlich-substanziellen Seins a priori an die Hand gibt, hat nomologische Wissenschaft und zunächst solche in der Sphäre der physischen Natur ermöglicht. Nun genauso wird es und muss es einmal strenge und nomologische Wissenschaft vom beseelten Wesen und vom Geist, der einen Leib beseelt, geben. [1] Aber es wird eine solche Wissenschaft nur geben können, wenn die systematische Wesensforschung die eidetischen Nomologien vorher entwickelt und zu relativer Höhe gebracht hat, die zur Grundlegung für diese empirische Wissenschaft von der beseelten Natur bzw. von den Geistern und Geistergemeinschaften berufen ist. Also die Eidetik des Geistes und der Gestaltungen geistigen Lebens ist die Bedingung der Möglichkeit einer [2]


[1] Cf. 31 2 [= F I 16/49b ??]

[2] Der Text bricht hier ab; der gestrichene Text auf der Rückseite des Blattes schließt nicht an.

Transcriber

Thomas Vongehr