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B II 19/16a "47"
Transcription
Und können also nicht Erlebnisse rein für sich, in dieser unabhängigen, von aller Beziehung auf psychische und psychophysische Realität losgelösten Betrachtungsart wissenschaftlich erforscht werden? Das klingt ungewohnt, ja ganz befremdlich. Erlebnisse sind doch Erlebnisse von erlebenden Menschen und Tieren, wie sollten sie also anders erforscht werden als in den realen Zusammenhängen, denen sie doch zugehören, anders denn psychologisch und psychophysisch?
Wie sollen überhaupt Bestandstücke der Welt, die Einheit aller Realitäten ist, anders erforscht werden als im Zusammenhang der Welt? – Wir bezweifeln natürlich nicht, dass sie auch so erforscht werden sollen. Wir meinen aber, dass es Motive, Gesichtspunkte, Möglichkeiten gibt, die realwissenschaftliche, also psychologische und psychophysische Einstellung und Betrachtungsweise zu verlassen und die Erlebnisse in einer Weise zu studieren, welche alles, was der Titel Realität befasst, in gewissem Sinn ausschaltet. Wie ist diese Ausschaltung zu verstehen, die uns allererst die spezifische Domäne der Philosophie erschließen soll? Wie kommt diese „dist[inctio] phaenomenologica“ zustande, wie wir sie letzthin genannt haben? Sie besteht, kurz gesagt, darin, dass wir eine Art von wissenschaftlichen Forschungen unternehmen, in welchen wir radikal und ganz prinzipiell jedwede Setzung eines Seins der Natur, eines Seins von Geistern, eines Seins von Realität jedweder Art, also eines Seins von Welt im weitesten Sinn ausschließen, davon nicht den leisesten Gebrauch machen als Prämissen für unser Urteilen.
Solche Setzung kann doppelter Art sein: fürs Erste empirische Setzung. Das sagt, wir haben die Einstellung, die wir die erfahrende nennen, die Einstellung der empirischen Wissenschaft. Also wir machen empirische Wahrnehmungen, wir vollziehen Erinnerungen, Wahrnehmungen von materiellen Dingen und nehmen
Transcriber
Thomas Vongehr