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B II 19/24b "48"
Transcription
Aber was sagt diese Rede vom absoluten Sein der Wahrnehmung, vom „absoluten Sein“ des Gefühls in sich selbst, des Willensaktes, des Urteilserlebnisses „in sich selbst“ und [von] dem dieses absolute Sein erfassende „Schauen“? Bin ich in natürlicher Einstellung, so sehe ich 1) wahrnehmend diese Dinge da, urteile über sie usw. Sie sind meine Objekte: als empirische Realitäten erfasst und gesetzt. Ich kann dann fürs 2)te die Einstellung der sogenannten inneren Wahrnehmung und Erfahrung, der Locke‘schen Reflexion vollziehen und auf ihrem Grund Aussagen machen; dann ist das wahrnehmend Erfasste, Gesetzte und Beurteilte meine Wahrnehmung, die Wahrnehmung als mein Erlebnis [genommen] , ebenso in den parallelen Fällen das Gefühl als mein Gefühl, der Wille als mein Wille, als Zustand oder Betätigung meiner Persönlichkeit. Das ist wieder eine natürliche Einstellung, wenn auch eine reflektive. Aber nun gehe ich in eine 3)te Einstellung über. Ich schneide die Realitätssetzung ab. Ich vollziehe sie nicht, ich setze sie gleichsam in Klammern. Ich nehme nun die Wahrnehmung, das Gefühl, das jeweilige Erlebnis in sich selbst. Die Erlebnisse sind freilich in der Auffassungsweise als meine Erlebnisse bewusst. Ich mag sie sogar in der Auffassung belassen. Ich mache dabei aber eine prinzipielle und überall mögliche Änderung: Anstatt in der natürlichen Seinssetzung zu leben, anstatt die Auffassung als mein Gefühl, meine Wollung (meine: dieser empirischen Person) im Modus natürlich-naiver Setzung zu vollziehen, übe ich eine Epoché, ich schalte die Setzung aus. Das Erlebnis bleibt, was es ist. Das volle Erlebnis ist jetzt nicht bloß das Gefühl, die Wollung, die Wahrnehmung, sondern dieses in der „Auffassung“ mein Gefühl, meine Wollung, meine Wahrnehmung. Diese Mein-Beziehung als Auffassung ist auch Erlebnis. Aber ich nehme auch diese komplexen Erlebnisse rein in sich, ich setze mich nicht als wirklich seiende Person, ich setze das Erlebnis also nicht als Zustand meines, dieses daseienden Menschen, dieser daseienden Persönlichkeit.
Transcriber
Thomas Vongehr