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B II 19/29a "53"

Transcription

Es könnte jemand einwenden: Die phänomenologische Reduktion mag sonst vielleicht eingängig sein; fordert sie aber die Ausschaltung des eigenen Ich, so fordert sie Unmögliches. Auf das reine Bewusstsein, auf die cogit[atio] in sich selbst soll reduziert werden. Aber weist uns die immer und a priori mögliche Frage: „auf wessen reines Bewusstsein, auf wessen cog[itatio] “ nicht darauf hin, dass eine cog[itatio] schlechthin nicht denkbar ist ohne das cogito? Descartes hatte also recht, die Evidenz des Seins der cogitatio und die Evidenz des cogito in eins zu setzen.

Wir antworten darauf: Ausschaltung der Realität und Reduktion auf das reine Bewusstsein besagt ja nicht: Behalten der cog[itationes] und Abtrennen derselben von der Realität bzw. Behaupten, dass die cog[itatio] möglich und sogar denkbar sei ohne Realität. Darüber sagen wir gar nichts. [1] Die Reduktion fordert nur von uns, dass wir von aller und so auch von unserer eigenen Realität schlechthin keinen Urteilsgebrauch machen. Dass die jeweilige cogit[atio] , z.B. ein einzelnes Erlebnis des Wahrnehmens, nicht selbst das ist, was wir reales Ich, reale Person nennen, oder es in sich enthält, das ist ganz evident. Sollte sich herausstellen, dass in einem gewissen anderen Sinn das cogitative Erlebnis nicht gedacht werden könnte, es sei denn als cogito, dass also doch ein Ich notwendig dabei ist, dann könnte das nur heißen, dass vom realen Ich zu unterscheiden sei ein reines Ich, welches im Rahmen phänomenologischer Reduktion an jedem Erlebnis oder als Beziehungspunkt jedes Erlebnisses, oder mindest jedes intentionalen,


[1] Randbemerkung: S[iehe] 54a [= B II 19/30a??]

Transcriber

Thomas Vongehr