Manuscript page

B II 19/34a "58" "34"

Transcription

so dass uns alle Erkenntnis zum Rätsel wird, und lassen wir uns durch die zweite Meditation belehren, dass das cogito oder, wie wir es uns begrenzen, das reine Bewusstsein ein absolut Unzweifelhaftes ist. [1]

Konsequenterweise ist nun alle Realitätserkenntnis ausgeschaltet. Aber wie steht es nun mit dem Rätsel solcher Erkenntnis? Das Rätsel ist nicht gelöst damit, dass ich in der Reduktion das bloße Bewusstsein übrig behalte. Vielmehr ist es jetzt erst recht empfindlich und hat es jetzt erst seine rechte Begrenzung erfahren. Wie kann Bewusstsein von sich aus etwas erkennen und in triftiger Weise erkennen, was eben nicht selbst Bewusstsein, sondern dem Bewusstsein gegenüber ein An-sich ist, eine Realität, die in sich ist, was sie ist, ob das jeweilige Bewusstsein selbst ist oder nicht ist? Diese Frage muss offenbar in prinzipieller Allgemeinheit und Reinheit gestellt werden. Denn ist es nicht evident, dass diese Frage nicht dieses oder jenes zufällige An-sich-Sein und nicht diese oder jene zufällige cogitatio betrifft, wie ich sie gerade im cogito vorfinde, sondern allgemein betrifft Bewusstsein überhaupt im Verhältnis zu An-sich-Sein überhaupt, oder Erkenntnis überhaupt und erkanntes Reales, erkanntes An-sich-Seiendes überhaupt? Erkenntnis ist ein Bewusstsein; Erkenntnis soll etwas gültig als seiend setzen, was sie selbst nicht ist, was Bewusstsein nicht als reelles Stück in ihr und als reelles Moment an ihr finden [kann] , was also das Bewusstsein transzendiert. Wie ist das möglich? Offenbar wäre es ein Zirkel, mit supponierten Realitäten zu operieren und mit irgendwelchen dogmatischen Realitätsüberlegungen das Problem zu lösen. Der Sinn des Problems erfordert offenbar absolut strenge phänomenologische Reduktion, denn jede transzendierende Erkenntnis ist mit dem Problem behaftet. Also entweder ist das Problem unlösbar, und dann müsste es selbst widersinnig sein, oder es ist lösbar auf dem Boden der phänomenologischen Reduktion.


[1] Randbemerkung: Erk[enntnistheorie].

Transcriber

Thomas Vongehr