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B II 19/34b "58" "34"
Transcription
All das hat sich Descartes nicht klargemacht, da er den guten Anfang sofort damit verdarb, dass er in Gottesbeweise und in real-wissenschaftliche Überlegungen überhaupt dogmatistisch eintrat. [1] Nun werden Sie aber sagen: Ist denn die Situation nicht wirklich hoffnungslos? Da wir die Realität ausgeschaltet haben, also übrig haben, was nicht Realität ist, wie können wir noch an die Realität herankommen? Wie können wir die Frage, wie Erkenntnis von Realität möglich ist, überhaupt noch angreifen? Und gibt es außer dem Realen noch anderes Transzendentes, so müssten wir auch das für erkenntnistheoretische Zwecke ausschalten, und das Ende wäre, dass auch das darauf bezügliche Problem unangreifbar würde.
Diese Überlegung soll uns aber gerade dazu dienen, die fundamentale Feststellung zu machen, dass die Realitätsausschaltung der phänomenologischen Reduktion (und eventuell jede ähnlich zu vollziehende Ausschaltung erweiterter Seinssphären) in gewissem Sinn nichts von dem einbüßt, was da ausgeschaltet heißt, und dass die erkenntnistheoretische Leistung der Reduktion darin besteht, nur das auszuschalten, was eben das Problem der Möglichkeit der Erkenntnis seinem Sinn nach auszuschalten fordert, und andererseits das zurückzubehalten, was es, wiederum sinngemäß und somit auch für Zwecke der Lösung, zurückzubehalten fordert. Aber das hat sich Descartes und hat sich die Vernunftkritik nach Descartes niemals klargemacht. Überlegen wir die Sache näher.
Die phänomenologische Reduktion sagt doch bloß: Wir machen von der Setzung von Realem keinen Gebrauch, wir urteilen nicht in der Einstellung der Realitätswissenschaften, wir nehmen aus ihnen keine einzige Prämisse in unseren Forschungsrahmen auf; wir urteilen, wie wir es auch nennen können, nicht ontol[ogisch], sondern eben phänomenologisch: Wir machen das „reine Bewusstsein“ (rein natürlich auch von allem Psychologischen) zum Forschungsgebiet. Alle Realität bekommt die „Klammer“, die da sagt, kein Seinsurteil darüber sei hier als geltend bzw. als gültig hingenommenes, keines sei als Prämisse zulässig.
[1] Randbemerkung: Erk[enntnistheorie].
Transcriber
Thomas Vongehr