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F IV 3/4a "80"

Transcription

Die [1] Realität, die wir Geist nennen, spielt in ihr keine andere Rolle wie die Realität, die wir Natur nennen, wie alle transzendenten Gegenständlichkeiten überhaupt. Das heißt, nur sofern Bewusstsein als Bewusstsein-von sich auch auf Geist und Natur bezieht und diese Beziehung etwas dem Wesen des Bewusstseins selbst Zugehöriges ist, sich an den betreffenden Bewusstseinsarten selbst studieren lässt, nur so weit erfahren sie in der Phänomenologie eine Untersuchung.

Es besteht hier ein eigentümliches Verhältnis zwischen eidetisch-rationaler Psychologie und eidetisch-rationaler Phänomenologie, ein sich in gewisser Art wechselseitiges Übergreifen. Die cog[itationes] , sofern sie auffassbar sind als Zustände, Akte, Erlebnisse erlebender Personen, gehören empirisch in die empirische und eidetisch in die eidetische Psychologie. Personen andererseits, mitsamt ihren Zuständen und Akten, sofern sie Korrelate von Bewusstsein sind, das eben Bewusstsein ist, das sich auf sie bezieht, gehören in die Domäne der Phänomenologie.

Beschränken wir uns nun auf die reduzierten Phänomene, so sind sie in sich selbst keine Realitäten, sie haben nichts von Realität an sich. In sich selbst haben sie ein Wesen. Die Begriffe, die wir von ihnen zunächst haben, herstammend aus gelegentlichen und ohne theoretische Absicht auf ihre Fixierung vollzogenen Reflexionen, werden ziemlich vage sein; und sofern es zunächst Begriffe sein werden, die ohne Analyse an den konkreten phänomenologischen Gegebenheiten gebildet sind, so werden sie den Charakter von Typenbegriffen haben, so z.B. Wahrnehmung, Erinnerung, aber auch Wahrnehmung eines Pferdes, eines Baumes etc. Ist nun etwa eine systematische Typik die Aufgabe? Gibt es eine konkrete morphologische Phänomenologie und daneben eine abstrakte? Indessen, von einer systematischen Typik aller Typen reduzierter Phänomene kann keine Rede sein, ich meine von einer Beschreibung und Klassifikation aller möglichen reinen Typen bis herab zu den niedersten Konkreta.


[1] Randtitel von Edith Stein: Phänomenologische Klassifikation.

Transcriber

Thomas Vongehr