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M III 6/4b "85"

Transcription

In der Sphäre der physischen Natur geht das durchaus. Sie ist in der Tat mathematisierbar, und gegenüber den morphologisch beschreibenden Naturwissenschaften gibt es exakte, d.i. mathematische Naturwissenschaft. Es gibt eine die ganze Natur umspannende „mathematische“ Physik, welche ausschließlich mit „exakten“ Begriffen, d.i. Idealbegriffen der intellectio operiert. Genauer gesprochen, es gehört zur Idee der imaginativ gegebenen Natur, dass ihr a priori eine ideale Natur, eine in exakten Begriffen gedachte substruierbar ist, die als eine geschlossene „mathematische Mannigfaltigkeit“ charakterisiert ist. Eine solche Mannigfaltigkeit ist definit, sie hat ein geschlossenes System von Obersätzen, aus denen rein deduktiv jede mögliche reine Naturgestaltung ableitbar ist, so dass es keine freien Möglichkeiten hier gibt. Zur formalen Idee der Natur als Natur überhaupt gehört es, dass sie umschreibbar ist durch eine Ontologie der Natur, mit Geometrie, Phoronomie usw. Und zu ihr gehört ein Komplex von apriorischen Sätzen über materielle Realität, Sätzen über Substanzialität und Kausalität, die in Verbindung mit den Disziplinen der Formen Raum, Zeit [und] Bewegung es einsichtig machen, dass jede faktische Natur im angegebenen Sinn definit mathematisierbar sein müsse. Auf Grund der Ontologie der Natur wird dann die empirisch-exakte Physik entworfen. Durch die Ontologie erkennen wir, dass eine gewisse, ihrem bestimmten Gehalt nach noch unbekannte mathematische Natur der in der aktuellen Erfahrung (in der „imaginatio“) gegebenen Natur zugrunde liegen muss. Die Methodik der mathematischen Naturforschung geht (als Physik) nun dahin, die bestimmte mathematisch-exakte Naturgesetzlichkeit herauszuarbeiten und das System von bestimmten mathematischen Naturgesetzen als Grundgesetzen zu finden, aus welchen alle empirisch möglichen (in der Faktizität dieser gegebenen Natur möglichen) exakten Naturgestaltungen sich deduzieren lassen.

Transcriber

Thomas Vongehr